26.09.2001
Anti-Amerikanismus der Linken

Heimliche Freude

Die Welt hat sich geirrt. Nicht fundamentalistische Selbstmordattentäter steuerten die entführten Flugzeuge am 11. September, sondern die Rächer der unterdrückten Welt. Auch stürzten die Türme des World Trade Center nicht in New York, wie alle glaubten, sondern in Nagasaki, Santiago und Bagdad ein.

In einer merkwürdigen Umkehrung von Ursache und Wirkung nehmen die unterschiedlichen Vertreter des linken Spektrums die Ereignisse zum Anlass, um die eigentlichen Urheber des Terrors zu denunzieren: die imperialistischen USA.

»Ich denke seit gestern sehr häufig an die vielen Menschen, die weniger wert zu sein schienen, als sie starben: in Chile (1973), dem Irak (1990/91) und Belgrad (1999)«, schreibt Jutta Ditfurth, die Fraktionsvorsitzende der ÖkoLinX im Frankfurter Römer. Wer die »Ursache von Anschlägen wie in New York« bekämpfen will, erklärt das GegeninformationsBüro Berlin, müsse den »Kampf gegen Imperialismus, neue Weltordnung, Unterdrückung und Elend« führen, und ruft zu einer Demonstration am »Tag X: wenn die USA/Nato zuschlagen« auf. Viel Mitgefühl für die Opfer des Anschlags ist da nicht zu erkennen, vielmehr »brauchen auch die Indianer in Nordamerika grenzenlose Gerechtigkeit«, wie ein Redner auf einer Kundgebung für den Frieden am vergangenen Wochenende in Berlin betonte.

Der grüne Bundestagsabgeordnete Hans-Christian Ströbele fühlt sich in den letzten Tagen »ein bisschen an 1914 erinnert«, als bekanntlich der US-Präsident Wilson keine Parteien mehr kannte und der Welt den Krieg erklärte. Günter Gaus beschreibt im Freitag, wie in einer Rede von US-Präsident George W. Bush »das Alte Testament vorbehaltlos über das Neue« triumphiere und erinnert an den Abwurf der zweiten Atombombe auf Nagasaki, den »blanken Terror«. In derselben Zeitung liest man zwei Seiten weiter, dass die »städtebaulich völlig überproportionierten Türme nie etwas anderes als eine Demonstration babylonischen Größenwahns« waren - über deren gewaltsames Ende man sich daher eigentlich nicht zu wundern braucht.

Dass die deutsche Linke nicht das Monopol auf Antiamerikanismus besitzt, beweist ein Artikel aus dem britischen Guardian von vergangener Woche. »Auch ein Tyrann mit blutiger Nase bleibt ein Tyrann«, heißt es da.

Es ist keine Frage, dass der Terror der globalen Ökonomie zu Elend, Krieg und Unterdrückung führen. Und natürlich sind USA für zahlreiche Grausamkeiten verantwortlich, die zur Aufrechterhaltung dieser Ordnung begangen wurden. Doch damit steht der Anschlag auf das World Trade Center gar nicht in Verbindung.

Es waren nicht die fanatischen Enkel von Che Guevara, die in den Flugzeugen saßen, sondern die Repräsentanten »einer faschistischen Ideologie mit islamischem Antlitz«, wie Christopher Hitchens in The Nation schreibt. Ihr Angriff galt den progressiven Elementen des US-amerikanischen Selbstverständnisses, die unmittelbar dem aufklärerischen Denken entstammen: der Ablehnung der Religion oder der Herkunft als Grundlagen der Politik.

Die klammheimliche Freude auch vieler Linker darüber, dass es bei den Anschlägen doch irgendwie die Richtigen getroffen habe, ist auch deshalb ekelhaft, weil damit der Anspruch, emanzipative Kritik zu leisten, aufgegeben wird. Sie ist kein Hinweis auf eine notwendige Aufhebung der Verhältnisse, die das Unglück erst hervorgebracht haben, sondern der schlichte Appell ans Ressentiment.