Mullah-Diplomatie

An der Grenze zwischen den um politische Vorherrschaft und den Standort für Ölpipelines rivalisierenden Staaten Iran und Afghanistan tummeln sich die Gotteskrieger: 270 000 iranische Soldaten stehen 30 000 talibanesischen Glaubenskämpfern gegenüber. In der vergangenen Woche zeigten sich aber gerade die Schüler des Islam kompromißbereit und ließen 26 iranische Gefangene frei. Offenbar haben die mehr als 90 Prozent des Landes kontrollierenden Taliban, denen nur noch der vom Iran unterstützte Partisanenführer Ahmed Schah Massud trotzt, kein Interesse an einer Eskalation des Konflikts. Erstmals nahmen nämlich die Vereinten Nationen (UN) über ihren Gesandten Lakhdar Brahimi Gespräche mit der Führung der bislang von der UN nicht als Staatsregierung anerkannten Taliban auf.

Insbesondere die USA könnten sich mit diesem Schritt den billigeren Weg der Pipelines durch Afghanistan sichern wollen und die offizielle Anerkennung des Gottesstaates vorbereiten. Auch der iranische Präsident Mohammed Khatami als Vertreter eines Reform-Islamismus bemüht sich um US-amerikanische Anerkennung und stößt dabei auf Widerstand im traditionalistischen Lager. So wies das iranische Verfassungsgericht beispielsweise ein Gesetz zur strikten Geschlechtertrennung in Krankenhäusern zurück. Im Zweifelsfall entscheidet aber allein der Khatami-Widersacher und religiöse Führer Irans, Ali Khamenei, über einen militärischen Angriff.