Mission improbable

Im Kosovo hat die OSZE ihren großen Auftritt als Friedensbeobachterin. Sie scheint davon jedoch hoffnungslos überfordert

Gerade hatte es sich die Vorhut der von der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) entsandten Beobachter im noblen Hotel Intercontinental in Belgrad gemütlich gemacht, als auch schon die erste Hiobsbotschaft aus der jugoslawischen Krisenprovinz Kosovo die Gemütlichkeit störte: Noch am Sonnabend, dem Ankunftstag der Delegation, hieß es, ein Kommando der Kosovo Befreiungsarmee (UCK) habe drei serbische Polizisten getötet und damit ihren erst vor zwei Wochen einseitig ausgerufenen Waffenstillstand gebrochen.

Den bis Mittwoch in Jugoslawien verweilenden OSZE-Gesandten wurde so vor Augen geführt, wie kompliziert ihre Kosovo-Mission eigentlich ist. Und das, obwohl der jugoslawische Präsident Slobodan Milosevic vorerst gebändigt ist: Mit dem Nato-Ultimatum im Nacken, unterzeichnete der jugoslawische Außenminister Zivadin Jovanovic am vergangenen Freitag gemeinsam mit dem amtierenden OSZE-Vorsitzenden und polnischen Außenminister Bronislaw Geremek eine Vereinbarung, die einen reibungslosen Ablauf der Kosovo-Mission garantieren soll.

Nach Berichten des jugoslawischen Staatsfernsehens und der Nachrichtenagentur AP zogen außerdem die ersten Einheiten der paramilitärischen Polizei und der jugoslawischen Bundesarmee aus Kosovo ab. Schließlich ist der Nato-Befehl zu Luftangriffen gegen Jugoslawien vorerst nur bis zum 27. Oktober ausgesetzt.

Dennoch läßt sich Milosevic von seinen staatstreuen Medien in Jugoslawien als "Friedensbringer" feiern, der Krieg und Zerstörung abgewendet habe. Mit diesem Bonus ausgestattet, fällt es ihm nicht besonders schwer, die angestrebte Autonomie-Lösung für das Kosovo zu akzeptieren. Anders geht es der gegnerischen Konfliktpartei, der UCK. "Der kompliziertere Teil der Aktion, nämlich die UCK zu bändigen, steht uns erst noch bevor", meint etwa der EU-Sonderbeauftragte für das Kosovo und österreichische Botschafter in Belgrad, Wolfgang Petritsch.

Gerade der Siegeszug der jugoslawischen Einheiten in den letzten Monaten hat die UCK unberechenbar gemacht. Ihre Versuche im Frühsommer, eine einheitliche und klar gegliederte Kommandostruktur aufzubauen, sind inzwischen gescheitert, statt dessen zerfällt die UCK nun in verschiedene Fraktionen. Jedem Kosovo-Politiker seine eigene UCK, scheint die Maxime in Pristina zu sein. Wolfgang Petritsch etwa warnt vor einem dritten Flügel der UCK, der sich in den letzten Wochen abgespalten habe.

Deshalb droht der Sicherheit der OSZE-Missionare weniger Gefahr von seiten des vertraglich gebundenen Milosevic, sondern vielmehr von der UCK und ihren Splittergruppen. Der immer noch aktive politische Anführer der Skipetaren-Guerilla Adem Demaci, ließ schon süffisant nachfragen, ob überhaupt jemand für die Sicherheit der OSZE-Beobachter garantiere: "Die UCK etwa?"

Weil sie auf einer Unabhängigkeit der Provinz besteht, von der OSZE eine solche Lösung aber nicht zu erwarten ist, sieht die UCK die Beobachtertruppe als verlängerten Arm Milosevics. Der UCK wäre eine militärische Intervention der Nato-Streitmacht in Kosovo wesentlich lieber gewesen.

Nachdem nun die unmittelbare Kriegsdrohung vorerst ausgesetzt ist, sprechen auch die Mitarbeiter der Delegation unter US-Vermittler Richard Holbrooke offen darüber. So meint Petritsch, daß "ein Nato-Angriff die Separationsbestrebungen der Kosovo-Albaner beschleunigt hätte".

Möglicherweise könnte die UCK deshalb die OSZE-Mission zu sabotieren versuchen - ihr vordringliches Ziel dabei: die Rückkehr der kosovo-albanischen Flüchtlinge aus ihren Verstecken in den Bergen. Weil große Teile der Bevölkerung mit der UCK sympathisieren, wird es für die OSZE-Kontrolleure sicher schwierig, entgegen den Interessen der UCK die Flüchtlinge zur Rückkehr zu bewegen und damit den Zustand vor dem Kampfbeginn wiederherzustellen.

Aber soweit ist man ohnehin noch nicht. Einstweilen ist die unverhofft zu Bedeutung gelangte OSZE noch mit sich selbst beschäftigt. Zwar ist klar, daß man den Job erledigen will - aber wie, das weiß noch keiner der Diplomaten im OSZE-Hauptquartier in Wien. So ist es ziemlich unwahrscheinlich, daß sich die eingeplanten 2 000 Kosovo-Beobachter überhaupt auftreiben lassen. Bisher hat sich bloß Rußland verpflichtet, 250 Mann zur Verfügung zu stellen, Deutschland, Großbritannien und Italien wollen jeweils 150 bis 200 weitere ins Kosovo schicken. Und Österreich ist mit 50 OSZE-Neulingen dabei.

Noch unbesetzt ist allerdings die Chefposition für die Mission, die eigentlich schon in der laufenden Woche beginnen soll. Im Wiener OSZE-Hauptquartier fällt immer wieder der Name des stellvertretenden Repräsentanten der UN in Sarajewo, Jacques Klein. Doch der US-Amerikaner ziert sich noch: "Jacques Klein hat das Gefühl, in Sarajewo noch gebraucht zu werden", gibt seine Pressesprecherin Alexandra Stiglmaier bekannt. Und fügt dann hinzu: "Herr Klein würde nicht einmal für ein Gehalt von einer Milliarde US-Dollar nach Kosovo fahren." Im Büro Kleins gibt man denn auch zu, daß nicht nur die selbstgewählte Berufung als Trouble-Shooter in Bosnien ausschlaggebend für seine Absage ist. Vielmehr glaube Klein nicht wirklich an einen Erfolg der OSZE-Expedition, weil die Mission mit zu wenig Vollmachten für eine so große Aufgabe ausgestattet sei.

Den Europäern ist das durchaus recht. Die üblichen US-amerikanisch-europäischen Rivalitäten drohten bereits auszubrechen, weil die europäische OSZE eigentlich einen Europäer an der Spitze der Beobachter sehen möchte. Wer das aber sein soll, ist bisher gänzlich ungewiß. Den USA wiederum dauert das ganze organisatorische Hin und Her viel zu lange. In Washington will man eine zügige Umsetzung des mit Belgrad unterzeichneten Abkommens.

Selbst OSZE-Profis vermuten, daß sich die Organisation mit der Kosovo-Mission ein wenig übernommen hat. "Die OSZE hat bisher keinerlei Erfahrungen mit so großen Missionen. Noch nie mußte die Organisation einen Einsatz mit 2000 Mann in so kurzer Zeit planen", gibt der OSZE-Gesandte in Albanien, Herbert Grubmayr, zu bedenken.

Hinzu kommt, daß die einzelnen Entsender-Staaten die Mission komplizieren. So erklärte sich die Schweiz zwar bereit, Beobachter zu entsenden, doch zum Schutz der Eidgenossen möchte man unbedingt bewaffnete Bodyguards der Schweizer Armee mitschicken. Petritsch hält das "für nicht sehr gescheit". Zuständig für die Sicherheit aller OSZE-Beobachter müsse alleine die Nato sein, die auch ohne bisherigen Einsatz rund um das Kosovo in Lauerstellung wartet.

Rund 370 Millionen Mark soll nach Angaben aus Wien die Mission kosten. Vorausgesetzt natürlich, daß der Zeitplan eingehalten wird und der Einsatz der Beobachter nach einem Jahr schon wieder beendet wird. Doch selbst das hält Petritsch für unwahrscheinlich: "Das wird eine sehr langwierige Angelegenheit."