»Konsens gegen Nazis schaffen!«

Die Antifa Rostock antwortet auf die Kritik an der Rostocker Demo mit einem Bündniskonzept

"Die Aktivitäten gegen den Naziaufmarsch am 19. September in Rostock werfen die Frage nach den grundsätzlichen Positionen antifaschistischer Politik und deren Konsequenzen für die Bündnispolitik auf." Diese Einschätzung des Leipziger Bündnis gegen Rechts (BgR) teilen wir voll und ganz.

Wir wollen daher unseren Ansatz hier zur Diskussion stellen. Eine Auseinandersetzung darum soll aber nicht in einen weiteren Grabenkampf innerhalb der Linken ausarten, sondern an Ergebnissen und der weiteren Arbeit orientiert sein.

Unserer Meinung nach geht es vor allem um die Vermittlung unserer Positionen in der Öffentlichkeit und um ihre gesellschaftliche Relevanz. Daher muß die mittelfristige Strategie, die sich aus den gegenwärtigen gesellschaftlichen Umständen ableitet, diskutiert werden. Dies schließt auch Diskussion ein, unter welchen Umständen und unter welcher Zielsetzung eine bundesweite Antifa-Mobilisierung sinnvoll ist. Wann jedoch hat sie Aussicht auf Erfolg?

Die Tatsache, daß bis zu 20 Prozent der Wähler nicht ausschließen können, rechtsextrem zu wählen, zeigt deutlich, wieweit rassistische und nationalistische Argumentationen Teil des gesellschaftlichen Diskurses geworden sind. Hinzu kommt eine Kultur des "Rechtsseins" und die damit verbundene Hegemonie, auch militanter Art in vielen Regionen. Die Situation ist in Mecklenburg-Vorpommern nicht viel anders als in Sachsen.

Diese Entwicklung zeichnete sich in den letzen Jahren immer deutlicher ab, und alle Versuche der Antifa zu intervenieren, haben keinerlei längerfristigen Erfolg gezeigt. Immer wurde festgestellt, daß die Stiefelnazis einen breiten Rückhalt in der Bevölkerung haben, und so wurden bei Aktionen Anwohner und Nazis gleichermaßen angegriffen und damit die Annäherung zwischen beiden Gruppen weiter gefördert.

Die Demos waren immer geprägt durch militantes Auftreten, ohne zu reflektieren, ob dies in der Situation notwendig war bzw. ob dies dem Staatsapparat unsere Stigmatisierung und Isolierung erleichterte. Als positiv wurden immer das kraftvolle Erscheinen und die erhoffte Stärkung des Selbstbewußtseins unserer Szene hervorgehoben.

Hinzu kam, daß wir meinten, radikale Inhalte in der Öffentlichkeit dargestellt zu haben. Um diese von uns eingebrachten Positionen fand jedoch keine Auseinandersetzung in der Öffentlichkeit statt, sie waren von vornherein diskreditiert. Darüber hinaus stärkte diese Politik nicht einmal unser Selbstbewußtsein, sondern es entstand eine Situation, in der sich Antifas nicht einmal einen "Fußbreit" erkämpfen konnten. Ein solches Vorgehen hat keinerlei gesellschaftliche Relevanz, und logischerweise konnten wir den Rechtsextremismus kaum aufhalten. Ein weiteres Festhalten an dieser Politik erweckt den Eindruck, es gehe den Protagonisten um die Aufrechterhaltung des Status quo.

Die undogmatische Linke muß sich die Frage stellen, welche Strategie es ihr ermöglicht, ihre Inhalte zu verbreiten - kritische Politik zu machen, die auf die Gesellschaft wirkt - und auch ihrer (historischen) Verantwortung gerecht zu werden. Wir müssen die Auseinandersetzung durch längerfristig orientierte Bündnispolitik auch mit "linken" bürgerlichen Kräften suchen, wobei unsere Einschätzungen und Kritiken transparent und nachvollziehbar werden müssen. Hierzu ist ein schrittweises Vorgehen notwendig.

Als Zwischenziel wollen wir die gesellschaftliche Ächtung der Naziszene vorantreiben, um so den Schulterschluß zwischen den rassistischen Teilen der Bevölkerung und den Rechtsextremen zu verhindern bzw. zurückzudrängen. Wir wollen einen "Gegen Nazis"-Konsens herbeiführen! Dies beinhaltet für uns in erster Linie die Diskussion um Kaderstruktur, rechte Subkultur, akzeptierende Jugendarbeit und Zivilcourage eines jeden. Hierdurch würde die für viele lebensbedrohliche jetzige Situation entschärft.

An diesen Inhalten muß sich eine Kampagne des Bündnisses orientieren. Ein weitergehender Schritt ist die Auseinandersetzung mit staatlichem und staatlich genutztem Rassismus und die Funktion und Ausbreitung von nationalistischen Argumentationen in der Gesellschaft. Forderungen nach demokratischen Rechten für alle hier lebenden Menschen und der gerechten Verteilung des gesellschaftlichen Reichtums sollten als Alternative zur jetzigen Situation in die Diskussion eingebracht werden.

Neben Umständen, auf die wir keinen Einfluß hatten (Polizeipräsenz, Organisierungsgrad der Antifa etc.), trugen die unzureichenden Diskussionen im Rostocker Bündnis über das gemeinsame Vorgehen sicher zur unmöglichen Situation am 19. September bei. Insofern sehen wir unsere Arbeit und Rolle im Bündnis durchaus kritisch.

Grundsätzlich halten wir an dieser Politik fest. Ausführliche Diskussionen um den 19. September und die weitere Arbeit werden zur Zeit im Bündnis geführt. Wir werden sehen, ob es uns gelingt, eine Strategie zu entwickeln, die positiv in die Gesellschaft wirkt.